10.11.2025

Das Testament und die Patientenverfügung im Erbrecht

Der Autor hat für seine Frau und sich sowie für Freunde und Mandanten eine „ Vorsorgliche Patientenerklärung an künftig behandelnde Ärzte" entworfen. Die häufige Bezeichnung als „Patiententestament" ist hier falsch. Denn das Testament ist eine Verfügung für die Zeit nach dem Tode. Der Begriff wäre allenfalls für Verfügungen über eigene Organe nach Eintritt des Todes sinnvoll.
Die Erklärung sieht zunächst Angaben zur Person vor, zu eventuell interessierenden früheren Krankheiten, zur Blutgruppe, zum Hausarzt und zu nahestehenden Personen. Sie hat nur Bedeutung für den Fall, dass der Erklärende nicht mehr entscheidungsfähig, insbesondere bewusstlos ist. Die Beglaubigung der Unterschrift ist nicht notwendig, aber zweckmäßig. Zur Sache hat die Erklärung folgenden Wortlaut:
Wir wünschen bei Lebensgefahr, solange wir aufnahmefähig sind, behutsame, aber unmißverständliche ärztliche Aufklärung über die Diagnose und die Prognose sowie über die Chancen und die Risiken von Behandlungsalternativen.
Bei der Formulierung dieses Textes haben ein sehr viel längerer Entwurf sowie ein daraus entwickeltes Konzept des Verlags in Berlin vorgelegen. Der vorstehende Entwurf versucht eine kürzere, begrifflich schärfere und präzisere Fassung; er vermeidet Wiederholungen und Überschneidungen und beschränkt sich auf das praktisch Relevante. Der dritte Absatz zur Sterbehilfe mag eine leichte Grenzüberschreitung ins rechtlich Zweifelhafte enthalten. Das schadet nicht und ermahnt die Ärzte, den Patienten nicht durch unsinnige, unerbetene, ja aufgezwungene Verlängerung der Sterbenszeit zu quälen.
Dagegen wird in der Erklärung darauf verzichtet, vom Arzt euphorisierende und bewußtseinserweiternde Drogen zu verlangen, die geeignet sind, den Todkranken auch die psychischen Lasten der letzten Stunden zu nehmen und ihm Freude zu verschaffen. Das würde dem Arzt viel Souveränität abfordern und muss seinem eigenen Ermessen überlassen bleiben. Im übrigen kann der Kranke es ja in aktueller Lage mündlich erbitten.
Ernst Jünger sagt in den „Annäherungen: Drogen und Rausch" 1970, überzeugend: „Dem Leidenden, dessen Uhr schnell abläuft, den Schmerz zu lindern, ist selbstverständlich, doch nicht genug. Wir sollten an sein einsames Lager noch einmal die Fülle der Welt heranführen. In der Todesstunde sind nicht Narcotica, sondern eher Gaben, die das Bewusstsein erweitern und schärfen, angebracht". Für den, der sich dem Grenzenlosen nähert, müssen die Grenzen also weit gesteckt werden. Die anschließenden, vorsichtig modifizierenden Wendungen der Rechtsprechung zum Erbrecht können hier außer Betracht bleiben.
Die Erklärung beruht auf der Überzeugung, dass wir heute in der westlichen Welt die physische Existenz - gelöst vom seelischen und geistigen Zustand eines Individuums - überbewerten. In den Kliniken kommen dann wie bekannt noch hinzu die Herrschaft der Apparate-Medizin mit ihren hybriden Möglichkeiten, die Furcht des Arztes vor Zeugen im Klinikpersonal oder vor einem von den Erben beauftragten Anwalt für Testamente, die Überbelastung durch den Massenbetrieb, und schließlich vor allem eine kurzschlüssige Reaktion. Manche Arzte meinen unter Berufung auf den Hippokratischen Eid, man müsse vor „Wiederholungen" auf der Hut sein. Aber diese Einstellung ist keine Überwindung, sondern in einem wichtigen Aspekt eher das Gegenteil: eine Wiederholung. Wiederholt wird dann die kritiklose Unterwerfung unter den gerade herrschenden, den machtvollen Zeitgeist ohne Bereitschaft zu eigener souveräner Haltung und Standhaftigkeit. Die Deutschen stehen - nicht nur in dieser Frage - einstweilen noch im Banne der Vergangenheit.
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